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Postulationsfähigkeit eines Kammerrechtsbeistands vor dem Landesarbeitsgericht

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Kammerrechtsbeistände (§ 209 Abs. 1 BRAO) sind vor den Landesarbeitsgerichten nicht gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 ArbGG iVm § 3 Abs. 1 Nr. 3 RDGEG postulationsfähig.

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren müssen die Berufungs- und die Berufungsbegründungsschrift von einem nach § 11 Abs. 4 ArbGG postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten unterzeichnet sein. Fehlt es hieran, so ist das Rechtsmittel unzulässig. Gemäß § 11 Abs. 4 müssen sich die Parteien vor dem Landesarbeitsgericht, außer im Verfahren vor einem beauftragten oder ersuchten Richter oder bei Prozesshandlungen, die vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vorgenommen werden können, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Als Bevollmächtigte sind außer Rechtsanwälten nur die in § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 4 und 5 bezeichneten Organisationen zugelassen. Zum Kreis der nach den genannten Vorschriften postulationsfähigen Prozessbevollmächtigten zählt ein verkammerter Rechtsbeistand nicht. Er ist im Berufungsverfahren auch nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 RDGEG einem Rechtsanwalt gleichgestellt. Dies ergibt die Auslegung der Vorschrift.

Gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 RDGEG stehen Kammerrechtsbeistände – im Sinne des § 209 Abs. 1 BRAO – in § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes einem Rechtsanwalt gleich. Aus dieser Verweisung lässt sich noch nicht mit der erforderlichen Gewissheit erschließen, ob Kammerrechtsbeistände nur in der ersten Instanz oder auch in der zweiten Instanz vertretungsbefugt sind. Zwar ist die Vertretungsbefugnis vor dem Landesarbeitsgericht in § 11 Abs. 4 ArbGG geregelt. Da jedoch § 11 Abs. 4 Satz 2 ArbGG mit der Formulierung “außer Rechtsanwälten” auf § 11 Abs. 2 Satz 1 ArbGG Bezug nimmt und dort – anders als in Satz 2 – ohne Beschränkung auf eine bestimmte Instanz die Vertretungsbefugnis durch Rechtsanwälte geregelt wird, könnte die Schlussfolgerung gezogen werden, dass Kammerrechtsbeistände auch in den höheren Instanzen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens postulationsfähig sind.

Bereits die Gesetzessystematik weist jedoch auf ein anderes Verständnis des § 3 Abs. 1 Nr. 3 RDGEG hin. So stellt § 3 Abs. 1 Nr. 1 RDGEG den Kammerrechtsbeistand für das zivilgerichtliche Verfahren einem Rechtsanwalt nur hinsichtlich der Vorschrift des § 79 Abs. 2 Satz 1 ZPO und der daran anknüpfenden Vorschriften gleich. Deutlicher als aus § 11 Abs. 2 und 4 ArbGG lässt sich aus den Vorschriften der §§ 78, 79 ZPO ableiten, dass Kammerrechtsbeistände nur im sogenannten Parteiprozess einem Rechtsanwalt gleichstehen sollen. Denn die Vertretungsbefugnis des Kammerrechtsbeistands beschränkt sich ausdrücklich auf den in § 79 ZPO geregelten Parteiprozess. Der in § 78 ZPO geregelte Anwaltsprozess wird von der Verweisung in § 3 Abs. 1 Nr. 1 RDGEG nicht erfasst.

Die Gesetzgebungsgeschichte ergibt zudem mit der erforderlichen Deutlichkeit, dass der Gesetzgeber die Kammerrechtsbeistände nur im Parteiprozess den Rechtsanwälten gleichstellen wollte.

Im zivilgerichtlichen Verfahren waren Kammerrechtsbeistände bis zum Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes vom 12. Dezember 2007 am 1. Juli 2008 nach einhelliger Meinung nur im Parteiprozess vor den Amtsgerichten, nicht aber im Anwaltsprozess vertretungsbefugt. Hiergegen bestanden nach Auffassung des Bundesgerichtshofs keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Die unterschiedliche Behandlung von Rechtsanwälten und Kammerrechtsbeiständen wurde damit gerechtfertigt, dass die Tätigkeit als Kammerrechtsbeistand nicht die Befähigung zum Richteramt erfordere. Die auf erworbene Abschlüsse abstellende Berufszulassungsvoraussetzung diene dem Schutz der Zivilrechtspflege.

Im arbeitsgerichtlichen Verfahren waren Kammerrechtsbeistände bis zum Inkrafttreten des Rechtsdienstleistungsgesetzes vom 12. Dezember 2007 am 1. Juli 2008 auch im Parteiprozess vor den Arbeitsgerichten nicht zur Prozessvertretung befugt. Das Vertretungsverbot galt allerdings nach dem ausdrücklichen Wortlaut des damaligen § 11 Abs. 3 Satz 1 ArbGG nur für das Auftreten in der mündlichen Verhandlung. Ein Rechtsbeistand konnte somit außerhalb der mündlichen Verhandlung wirksam Prozesshandlungen vornehmen.

An dieser – wenig konsequenten – Rechtslage hielt der Gesetzgeber mit der Neuregelung in § 3 Abs. 1 RDGEG ausdrücklich nicht mehr fest. Die Entwurfsbegründung zu § 3 Abs. 1 RDGEG hat folgenden Wortlaut:

§ 79 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 3 ZPO wird sichergestellt, dass die Kammerrechtsbeistände auch künftig im Parteiprozess als Bevollmächtigte tätig werden können. Eine Untersagung der weiteren Vertretung ist bei ihnen nicht möglich. Das spricht dem geltenden Recht.

Zugleich wird die Vorschrift inhaltlich auf die Vertretung in den übrigen Verfahrensordnungen ausgedehnt. Wie im geltenden Recht sollen Kammerrechtsbeistände auch künftig vor den Verwaltungs- und Sozialgerichten auftreten dürfen. Ein Grund, sie künftig von der Vertretung im Arbeitsgerichtsverfahren auszuschließen, besteht nicht. Vor den Finanzgerichten waren Rechtsbeistände hingegen nie vertretungsbefugt, da sich ihre Erlaubnis nicht auf die Vertretung in Steuerangelegenheiten erstreckt."

Aus dieser Begründung geht deutlich der Wille des Gesetzgebers hervor, einerseits den Kammerrechtsbeiständen den Status Quo bei der Prozessvertretung im zivil-, verwaltungs- und sozialgerichtlichen Verfahren zu sichern. Darüber hinaus sollte die – umfassende – Vertretungsbefugnis auf das arbeitsgerichtliche Verfahren erstreckt werden. Aus der Entwurfsbegründung folgt aber auch zugleich, dass der Gesetzgeber die Vertretungsbefugnis der Kammerrechtsbeistände nicht erweitern wollte, d.h. es bei der Vertretungsbefugnis im Parteiprozess belassen wollte.

Schließlich spricht auch der Sinn und Zweck des § 3 Abs. 1 RDGEG gegen die Annahme einer Vertretungsbefugnis der Kammerrechtsbeistände im Anwaltsprozess. Die Beschränkung der Vertretungsbefugnis auf Rechtsanwälte im Anwaltsprozess dient einerseits der Sicherstellung einer sachgerechten Vertretung der Partei und andererseits der Ordnung des Prozesses. Aufgrund ihrer forensischen Ausbildung und der Ablegung des Assessorexamens sind Rechtsanwälte in besonderer Weise für das Auftreten vor Gericht qualifiziert. Diese ist bei Kammerrechtsbeiständen bei einer typisierenden Betrachtung nicht in gleicher Weise gegeben, weil diese, anders als Rechtsanwälte, nicht die Befähigung zum Richteramt besitzen müssen.

Auf diesen Gesichtspunkt weist auch das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen in seinem Beschluss vom 07.11.2008 betr. die Vertretungsbefugnis der Kammerrechtsbeistände vor den Oberverwaltungsgerichten zutreffend hin. Es führt aus, durch die Verweisung in § 3 Abs. 1 Nr. 5 RDGEG habe in verwaltungsgerichtlichen Verfahren der Status Quo festgeschrieben werden sollen. Die Differenzierung zwischen der Prozessvertretung in erster und zweiter Instanz sei sachlich begründet, weil Kammerrechtsbeistände regelmäßig über eine weniger fundierte fachliche Qualifikation als Rechtsanwälte verfügten.

Dem widerspricht nicht, dass die Kammerrechtsbeistände im Verfahren vor den Landessozialgerichten postulationsfähig sind. Im Unterschied zum arbeits- und sozialgerichtlichen Verfahren können die Beteiligten vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht den Rechtsstreit selbst führen (§ 73 Abs. 1 SGG). Ausschließlich vor dem Bundessozialgericht müssen sich die Beteiligten nach § 73 Abs. 4 SGG, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Im sozialgerichtlichen Verfahren ist somit auch der zweitinstanzliche Prozess ein Parteiprozess, mit der Folge, dass sich der den Kammerrechtsbeiständen gesicherte Status Quo auch auf die Vertretung vor den Landessozialgerichten erstreckt.

Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Urteil vom 18. November 2013 – 1 Sa 12/13


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