Für den Bereich des Zivilprozesses gewährleistet Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip einen wirkungsvollen Rechtsschutz. Daraus ergibt sich die Verpflichtung der Fachgerichte, Gerichtsverfahren in angemessener Zeit zu einem Abschluss zu bringen.
Dem Grundgesetz lassen sich allerdings keine allgemein gültigen Zeitvorgaben dafür entnehmen, wann von einer unangemessenen Verfahrensdauer auszugehen ist. Vielmehr ist die Angemessenheit der Dauer eines Verfahrens nach den besonderen Umständen des einzelnen Falles zu bestimmen. Dazu gehören etwa die Schwierigkeit einer zu entscheidenden Materie, die Notwendigkeit von Ermittlungen, die Bedeutung des Verfahrens und das Prozessverhalten der Beteiligten. Auf Umstände, die in seinem Verantwortungsbereich liegen, kann sich der Staat – anders als auf unvorhersehbare Zufälle und schicksalhafte Ereignisse – nicht berufen.
Ausgehend hiervon ist der Anspruch des Beschwerdeführers auf effektiven Rechtsschutz in angemessener Zeit in besonders schwerwiegender Weise verletzt. Das Verfahren vor dem Arbeitsgericht und dem Landesarbeitsgericht ist mit einer Dauer von mehr als 20 Jahren schon insgesamt als überlang anzusehen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber für den Bereich der Arbeitsgerichtsbarkeit ein schnelles Verfahren bereitstellen wollte, was in dem allgemeinen Beschleunigungsgrundsatz des § 9 Abs. 1 ArbGG Ausdruck gefunden hat. Gegen diesen verstoßen vorliegend drei ermessensfehlerhafte Aussetzungen, die insgesamt zu einer Verzögerung des Rechtsstreits von zwölf Jahren geführt haben.
Im erstinstanzlichen Verfahren beruht eine Verzögerung von knapp sechs Jahren auf dem Aussetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts vom 24.07.1991. Nach § 148 ZPO muss das Gericht bei der Aussetzungsentscheidung sein Ermessen ausüben und die mögliche Verfahrensverzögerung mit den Gesichtspunkten der Verfahrensökonomie und der Vermeidung sich widersprechender Entscheidungen abwägen. Dabei haben die Gerichte auch die Gesamtdauer des Verfahrens zu berücksichtigen und sich mit zunehmender Dauer nachhaltig um eine Beschleunigung des Verfahrens zu bemühen. Eine Verzögerung des vorgreiflichen Rechtsstreits ist ebenfalls ein Gesichtspunkt, dem bei der Ausübung des Ermessens Rechnung zu tragen ist.
Vorliegend ist aus der Begründung der Aussetzungsentscheidung weder ersichtlich, dass die voraussichtliche Dauer des für vorgreiflich erachteten Kündigungsschutzverfahrens in die Abwägung einbezogen worden ist, noch dass die Dauer des Ausgangsverfahrens von damals bereits über drei Jahren Berücksichtigung gefunden hat. Vor diesem Hintergrund erscheint die Aussetzung im Ergebnis ermessensfehlerhaft. Die durch die Aussetzung verursachte Verzögerung fällt somit in den Verantwortungsbereich des Gerichts.
Das Landesarbeitsgericht hat das Verfahren am 14.04.2000 erneut ausgesetzt und zur Begründung lediglich auf die Vorgreiflichkeit des ersten Kündigungsschutzverfahrens hingewiesen. Damit ist unklar, ob das Landesarbeitsgericht das ihm dabei zustehende Ermessen ausgeübt und die Interessen der Beteiligten sachgerecht abgewogen hat. Angesichts des zu diesem Zeitpunkt bereits rund zwölf Jahre andauernden Ausgangsverfahrens und des bereits anhängigen zweiten Kündigungsschutzverfahrens ist diese Aussetzung jedoch im Ergebnis ermessensfehlerhaft.
Nach rechtskräftigem Abschluss des ersten Kündigungsschutzrechtsstreits hat das Landesarbeitsgericht am 17.11.2004 das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung der zweiten Kündigungsschutzklage ein drittes Mal ausgesetzt und die Entscheidung wiederum in Bezug auf die Ermessensausübung nicht begründet. Dies ist im Ergebnis angesichts der zu diesem Zeitpunkt bereits über 16jährigen Dauer des Ausgangsverfahrens ebenfalls ermessensfehlerhaft. Die nunmehr gesteigerte Eilbedürftigkeit hätte sich für das Landesarbeitsgericht auch aus dem Umstand ergeben müssen, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte zwischenzeitlich dem Beschwerdeführer mit Urteil vom 18.10.2001 Schadensersatz wegen der überlangen Dauer des ersten Kündigungsschutzverfahrens zugesprochen hatte.
Etwas anderes ergibt sich nicht aus dem Verhalten des Beschwerdeführers.
Es kommt nicht entscheidend darauf an, dass der Beschwerdeführer mit den Aussetzungen durch das Landesarbeitsgericht nach der Stellungnahme des Staatsministeriums jeweils einverstanden gewesen ist. Auch in Verfahren, in denen grundsätzlich die Parteimaxime gilt, entbindet das Verhalten der Parteien die Gerichte nicht von der rechtsstaatlichen Pflicht, ein zügiges Verfahren sicherzustellen. Dies gilt gerade bei einer Verfahrensverzögerung durch Aussetzung, denn eine Entscheidung über eine Aussetzung liegt nach § 148 ZPO – anders als bei einem übereinstimmenden Antrag der Parteien auf Ruhen des Verfahrens nach § 251 ZPO – im Ermessen des Gerichts, das hierüber auch ohne Antrag von Amts wegen zu befinden hat. Die Aussetzungen des vorliegenden Verfahrens gingen von dem Gericht aus und waren nicht in besonderer Weise deutlich gemachter Wunsch des Beschwerdeführers. Mit seiner Einverständniserklärung fügte er sich lediglich dem als sachdienlich empfohlenen Vorschlag des Gerichts, aus dem sich konkrete Perspektiven für die weitere Dauer des Verfahrens und Alternativen, soweit ersichtlich, nicht ergaben. Damit blieb die besondere Verantwortung für ein zügiges Verfahren und den Umgang mit begrenzten Verzögerungen durch Aussetzungen bei dem Gericht.
Angesichts der gerichtlichen Verantwortung für ein zügiges fachgerichtliches Verfahren und aufgrund der Dauer des Ausgangsverfahrens von über 20 Jahren kommt es nicht entscheidend darauf an, dass der Beschwerdeführer durch mehrfachen Wechsel seines Prozessbevollmächtigten, mehrfache Änderung der Anträge und zwei unbegründete Befangenheitsanträge ebenfalls zu einer verlängerten Dauer des Verfahrens beigetragen hat, da die dadurch verursachten Zeitverluste im Verhältnis zu den Verzögerungen durch die Aussetzungen weit geringer ausfallen. Allein die von Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht zu verantwortende Verzögerung von mindestens zwölf Jahren aufgrund dreier ermessensfehlerhafter Aussetzungen hat als Verletzung des verfassungsrechtlich garantierten Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz erhebliches Gewicht.
Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 5. August 2013 – 1 BvR 2965/10