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Heranziehung ehrenamtlicher Richter – und ihre Reihenfolge

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Die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter zu der Berufungsverhandlung verletzt auch dann nicht das Recht einer Partei auf den gesetzlichen Richter (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG), wenn dem Gericht ein Heranziehungsfehler unterlaufen sein sollte.

In einer jetzt vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen, auf eben eine solche Rüge gestützte Nichtzulassungsbeschwerde war unklar, ob die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter in der Reihenfolge der Terminierungen oder in der Reihenfolge der Verhandlungstermine zu erfolgen hatte. Dies hätte im Streitfall zu unterschiedlichen Besetzungen geführt, da noch ein Verhandlungstag “dazwischen geschoben” worden war. Das Bundesarbeitsgericht hielt diesen Auslegungsstreit für die Besetzungsrüge jedoch als unerheblich:

Das Bundesarbeitsgericht hat offenlassen, ob der Geschäftsverteilungsplans des Landesarbeitsgerichts nach seinem Wortlaut, Zusammenhang und Zweck dahin auszulegen ist, dass für die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter die Terminierung und nicht die spätere tatsächliche Reihenfolge der Verhandlungstage entscheidend ist. Hierfür spricht ua. die Praktikabilitätserwägung, dass bei der Terminierung nicht in jedem Fall abzusehen ist, ob später noch ein Sitzungstag „eingeschoben“ werden muss. Ein Verstoß gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG liegt nicht schon dann vor, wenn zur Bestimmung des gesetzlichen Richters auslegungsbedürftige Begriffe verwendet werden.

Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG bestimmt, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen werden darf. Auch Maßnahmen und Entscheidungen eines Gerichts können gegen dieses Gebot verstoßen.

Ziel der Verfassungsgarantie des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ist es, der Gefahr einer möglichen Einflussnahme auf den Inhalt einer gerichtlichen Entscheidung vorzubeugen, die durch eine auf den Einzelfall bezogene Auswahl der zur Entscheidung berufenen Richter eröffnet sein könnte. Damit sollen die Unabhängigkeit der Rechtsprechung gewahrt und das Vertrauen der Rechtsuchenden und der Öffentlichkeit in die Unparteilichkeit und Sachlichkeit der Gerichte gesichert werden.

Nicht jede irrtümliche Verkennung der den Gerichten gezogenen Grenzen kann jedoch als Verletzung von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG gewertet werden. Die Entscheidung eines Gerichts verstößt gegen das Gebot des gesetzlichen Richters, wenn sie von objektiv willkürlichen Erwägungen bestimmt ist. Hiervon kann nur die Rede sein, wenn sich das Gericht bei der Auslegung und Anwendung einer Zuständigkeitsnorm so weit von dem sie beherrschenden Grundsatz des gesetzlichen Richters entfernt hat, dass sie nicht mehr zu rechtfertigen ist.

Eine „Entziehung“ des gesetzlichen Richters im Sinne von Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG durch die Rechtsprechung, der es obliegt, die Zuständigkeitsregeln anzuwenden, kann nicht in jeder fehlerhaften Rechtsanwendung gesehen werden. Sonst müsste jede fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts zugleich als Verfassungsverstoß gelten. Die Grenzen zum Verfassungsverstoß sind jedenfalls dann überschritten, wenn die Auslegung einer Zuständigkeitsnorm oder ihre Handhabung im Einzelfall willkürlich oder offensichtlich unhaltbar sind. Ob die Entscheidung eines Gerichts auf Willkür, also auf einem Fall grober Missachtung oder Fehlanwendung des Gesetzesrechts beruht, kann nur anhand der jeweiligen Umstände des Einzelfalls beurteilt werden.

Gemessen an diesen Maßstäben verletzt die Heranziehung der ehrenamtlichen Richter zu der Berufungsverhandlung am 10. September 2009 Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG nicht. Das Landesarbeitsgericht hat sich bei der Reihenfolge der Heranziehung der ehrenamtlichen Richter von der Reihenfolge der Terminierung leiten lassen. Diese Handhabung ist weder offensichtlich unhaltbar noch objektiv willkürlich. Das Berufungsgericht hat mit dem Zeitpunkt der Terminierung auf ein abstraktes Kriterium abgestellt. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass das Landesarbeitsgericht mit der späteren Bestimmung des Verhandlungstags für den 27. August 2009 die Besetzung der Berufungskammer am 10. September 2009 beeinflussen wollte.

Bundesarbeitsgericht, Beschluss vom 23. März 2010 – 9 AZN 1030/09


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