§ 87 GWB begründet eine ausschließliche Rechtswegzuständigkeit der Kartell-Landgerichte, die von Amts wegen auch von den Gerichten für Arbeitssachen zu berücksichtigen ist.
Hängt die Entscheidung einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit ganz oder teilweise von einer kartellrechtlichen Vorfrage iSv. § 87 Satz 2 GWB ab, ist der Rechtsstreit von den Gerichten für Arbeitssachen an das zuständige Kartell-Landgericht zu verweisen.
Hängt die Entscheidung einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit iSv. § 13 GVG ganz oder teilweise von einer kartellrechtlichen Vorfrage ab, sind nach § 87 Satz 2 GWB die Kartell-Landgerichte ausschließlich zuständig.
Nach § 87 Satz 1 GWB in der vom 30.06.2013 bis zum 8.06.2017 geltenden Fassung waren für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die die Anwendung dieses Gesetzes, des Artikels 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder des Artikels 53 oder 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betreffen, ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands die Landgerichte ausschließlich zuständig. Diese Bestimmung ist durch Gesetz vom 01.06.2017 mit Wirkung zum 9.06.2017 geändert worden und lautet nunmehr: “Für bürgerliche Rechtsstreitigkeiten, die die Anwendung von Vorschriften des Teils 1, des Artikels 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder des Artikels 53 oder 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum betreffen, sind ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstands die Landgerichte ausschließlich zuständig” (im Folgenden Kartellstreitsachen im engeren Sinne). Der hier maßgebliche Satz 2 des § 87 GWB, wonach Satz 1 auch gilt, wenn die Entscheidung eines Rechtsstreits ganz oder teilweise von einer Entscheidung, die nach diesem Gesetz zu treffen ist, oder von der Anwendbarkeit des Artikels 101 oder 102 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union oder des Artikels 53 oder 54 des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum abhängt (im Folgenden Streitigkeiten mit kartellrechtlichen Vorfragen), ist durch diese letzte Gesetzesänderung inhaltlich nicht verändert worden.
Was unter einer kartellrechtlichen Vorfrage iSv. § 87 Satz 2 GWB zu verstehen ist, erschließt sich durch Abgrenzung zu den Kartellstreitsachen iSv. § 87 Satz 1 GWB. Zu den Kartellstreitsachen im engeren Sinne gehören vornehmlich die Klagen, mit denen kartellrechtliche Ansprüche geltend gemacht werden, sowie Klagen, die ihre Grundlage allein im nationalen oder europäischen Kartellrecht haben. Unter einer kartellrechtlichen Vorfrage iSv. § 87 Satz 2 GWB ist mithin all das zu verstehen, was an Kartellrecht inzidenter zur Beantwortung einer nichtkartellrechtlichen Hauptfrage zu prüfen ist.
Kartellrechtliche Vorfragen werden typischerweise durch Einwendungen des Arbeitnehmers aufgeworfen. Dabei genügt allerdings nicht jeder – auch noch so abwegige – Hinweis auf einen kartellrechtlichen Anspruch oder Einwand. Vielmehr ist eine Zuständigkeit der Kartellgerichte für einen Rechtsstreit nach dem Zweck des GWB nur gerechtfertigt, wenn eine Partei durch ausreichenden Tatsachenvortrag einen kartellrechtlich relevanten, entscheidungserheblichen Sachverhalt darlegt.
Nach § 87 Satz 2 GWB muss die Entscheidung des Rechtsstreits zudem ganz oder teilweise von der kartellrechtlichen Vorfrage abhängen. Die Vorfrage muss sich demnach in einem Rechtsstreit in der Weise stellen, dass die Entscheidung von ihrer Beantwortung abhängt. Ist der Streit ohne Entscheidung der kartellrechtlichen Vorfrage, und zwar im Sinne einer Abweisung der Klage oder eines Stattgebens, aus anderen Gründen entscheidungsreif, sind die Kartellgerichte nicht zuständig. Ist etwa Klageabweisung wegen einer kartellrechtlichen Vorfrage geboten, kann die Klage aber auch wegen einer für den Arbeitgeber unergiebigen Beweisaufnahme abzuweisen sein, hat das angerufene Nicht-Kartellgericht, dem die Prüfung der Entscheidungserheblichkeit der kartellrechtlichen Vorfrage obliegt, die Beweisaufnahme durchzuführen.
§ 87 GWB regelt nicht nur die sachliche Zuständigkeit innerhalb des ordentlichen Rechtswegs, sondern bestimmt in seinem Anwendungsbereich für bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten iSv. § 13 GVG eine ausschließliche Rechtswegzuständigkeit der Kartell-Landgerichte, die von Amts wegen zu beachten ist.
Die in den §§ 87 ff. GWB getroffenen Verfahrensbestimmungen bewirken eine Konzentration kartellrechtlicher Fragen innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit bei einigen wenigen, auf diesem Gebiet besonders sachkundigen Spruchkörpern. Dies sind die Kartellspruchkörper bei den Kartell-Landgerichten und in den Rechtsmittelinstanzen bei den Oberlandesgerichten und dem Bundesgerichtshof die nach § 91 GWB und § 94 GWB zu bildenden Kartellsenate. Nach § 91 GWB entscheidet der bei den Oberlandesgerichten gebildete Kartellsenat ua. über die Berufung gegen Endurteile und die Beschwerde gegen sonstige Entscheidungen in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach § 87 Abs. 1 GWB, und nach § 94 Abs. 1 Nr. 3 GWB entscheidet der beim Bundesgerichtshof gebildete Kartellsenat über die unter Buchst. a)) bis c)) aufgeführten Rechtsmittel in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten nach § 87 Abs. 1 GWB. Diese Zusammenfassung der Rechtspflege in Kartellsachen dient der Qualität und Einheitlichkeit der Rechtsprechung (vgl. § 89 Abs. 1 Satz 1 GWB). Mit der Zuständigkeitsregelung in den §§ 87 ff. GWB ist der Gesetzgeber bewusst von der herkömmlichen Ordnung der Rechtswege abgewichen, um in kartellrechtlichen Fragen Widersprüche zwischen Entscheidungen von Gerichten verschiedener Rechtswege auszuschließen und dadurch zu verhindern, dass sich über die Rechtsbegriffe, die für die Anwendung des Gesetzes maßgebend sind, abweichende Auffassungen herausbilden.
Dies wird bestätigt durch die Regelung in § 88 GWB, wonach mit der Klage nach § 87 GWB die Klage wegen eines anderen Anspruchs verbunden werden kann, wenn dieser im rechtlichen oder unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Anspruch steht, der bei dem nach § 87 GWB zuständigen Gericht geltend zu machen ist; dies gilt auch dann, wenn für die Klage wegen des anderen Anspruchs eine ausschließliche Zuständigkeit gegeben ist. Dabei liegt die wesentliche Bedeutung dieser Bestimmung nicht darin, dass sie die Verbindung von nichtkartellrechtlichen mit kartellrechtlichen Ansprüchen vor den Kartellgerichten überhaupt gestattet, sondern darin, dass sie der Zuständigkeit des Kartellgerichts den Vorrang sogar vor der ausschließlichen Zuständigkeit eines anderen Gerichts gibt.
Dies hat zur Folge, dass auch die Gerichte für Arbeitssachen, soweit sie über bürgerlich-rechtliche Streitigkeiten entscheiden, für die Entscheidung über eine kartellrechtliche Vorfrage iSv. § 87 Satz 2 GWB nicht zuständig sind.
Aus § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet, folgt nichts Abweichendes. Zwar gehört hierzu auch, dass das Gericht eine rechtswegfremde, entscheidungserhebliche Vorfrage prüft und über sie entscheidet. Allerdings stellt § 87 Satz 2 GWB eine Ausnahme von dem allgemeinen prozessrechtlichen Grundsatz dar, dass die in der Hauptsache zuständigen Gerichte Vorfragen aus anderen Rechtsgebieten selbständig beurteilen können. Dem für Kartellrechtsfragen nicht zuständigen Nicht-Kartellgericht wird mit § 87 GWB damit nicht nur die Hauptsachenkompetenz, sondern auch die Vorfragenkompetenz genommen.
Grundsätzlich haben die Arbeitsgerichte bei der Entscheidung über eine in ihre Zuständigkeit fallende Rechtsstreitigkeit auch über Rechtsfragen zu entscheiden, die nicht dem Arbeitsrecht, sondern anderen Rechtsgebieten angehören. Der Umstand, dass Fragen in die Zuständigkeit einer anderen Gerichtsbarkeit fallen, hindert die Arbeitsgerichte nicht an ihrer Entscheidung; vielmehr haben sie – wie jedes andere Gericht – in einem ihrer Zuständigkeit unterliegenden und vor ihnen anhängigen Rechtsstreit alle für die Sachentscheidung erheblichen Vorfragen rechtlicher Art zu klären. Diese Vorfragenkompetenz führt zu keiner Kollision mit den gesetzlichen Zuständigkeitsregeln. Das die Vorfrage entscheidende Gericht greift bereits deshalb nicht in die Kompetenz eines anderen Gerichts ein, weil die Entscheidung über die Vorfrage nicht in Rechtskraft erwächst. Die Vorfragenkompetenz liegt auch im Sinne der Prozessökonomie, da sie hilft, Doppelprozesse zu vermeiden.
Der Gesetzgeber kann der eigentlich zuständigen Gerichtsbarkeit allerdings im Einzelfall die Entscheidung über eine Vorfrage ausdrücklich entziehen und einem besonderen Gericht oder Verfahren vorbehalten oder zuweisen. Die hierdurch eintretende Verfahrensverzögerung wird zur Klärung und Vereinheitlichung besonderer – auch verfassungs- oder unionsrechtlicher – Rechtsfragen bewusst in Kauf genommen. Regelungen zur Vorfragenkompetenz hat der Gesetzgeber etwa in §§ 97, 98 ArbGG, Art. 100 Abs. 1 GG oder in Art. 267 AEUV, aber auch in § 87 Satz 2 GWB getroffen. § 87 Satz 2 GWB hat zum Ziel, die Konzentration der Kartellrechtsprechung durch Schaffung einer Gesamtzuständigkeit für Vorfragen in sämtlichen bürgerlich-rechtlichen Streitigkeiten zu unterstützen.
Liegt die Vorfragenkompetenz bei den Kartellgerichten, greift die Bestimmung des § 17 Abs. 2 Satz 1 GVG, wonach das Gericht des zulässigen Rechtswegs den Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkten entscheidet, nicht ein. Der Gesetzgeber nimmt dabei auch in Kauf, dass sich die Kartellgerichte neben der Vorfrage mit anderen rechtlichen Spezialfragen befassen müssen, die besonderen Spruchkörpern zugewiesen sind. Die ausschließliche Zuständigkeit nach § 87 GWB ist von Amts wegen zu berücksichtigen. Ist in einem Rechtsstreit nach § 87 GWB der Rechtsweg zu dem angerufenen Nicht-Kartellgericht nicht gegeben, so hat dieses den gesamten Rechtsstreit von Amts wegen ohne entsprechenden Antrag nach § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG an das zuständige Kartell-Landgericht mit Bindungswirkung nach § 17a Abs. 2 Satz 3 GVG zu verweisen.
Das gilt auch dann, wenn sich eine entscheidungserhebliche kartellrechtliche Vorfrage erst im laufenden Verfahren oder in der Rechtsmittelinstanz stellt, wobei es nicht darauf ankommt, ob sich die Vorfrage aus dem Vorbringen der klagenden oder der beklagten Partei ergibt. In diesen Fällen entfällt nachträglich die Zuständigkeit des Nicht-Kartellgerichts; der in § 17 Abs. 1 Satz 1 GVG – ebenso in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO – statuierte Grundsatz der “perpetuatio fori” greift nicht ein.
Vor dem Hintergrund, dass die Konzentration kartellrechtlicher Fragen bei den Kartellgerichten dazu dient, eine einheitliche Rechtsprechung auf diesem Gebiet durch besonders sachkundige Spruchkörper sicherzustellen, bleibt die Vorfragenkompetenz der Gerichte für Arbeitssachen allerdings ausnahmsweise dann erhalten, wenn sich die entscheidungserhebliche kartellrechtliche Vorfrage zweifelsfrei beantworten lässt. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sie durch höchstrichterliche Rechtsprechung der Kartellgerichtsbarkeit bereits geklärt wurde.
Hat ein Arbeitsgericht oder Landesarbeitsgericht entgegen § 87 Satz 2 GWB seine Zuständigkeit zur Entscheidung einer kartellrechtlichen Vorfrage angenommen, so stellt dies einen vom Rechtsmittelgericht von Amts wegen zu beachtenden Rechtsfehler dar, der nicht nach § 17a Abs. 5 GVG sowie § 65 ArbGG, ggf. iVm. § 73 Abs. 2 ArbGG der Prüfung des Rechtsmittelgerichts entzogen ist.
Nach § 17a Abs. 5 GVG prüft das Gericht, das über ein Rechtsmittel gegen eine Entscheidung in der Hauptsache entscheidet, nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist. Gleiches gilt nach § 65 ArbGG für das Landesarbeitsgericht und über die Regelung des § 73 Abs. 2 ArbGG für das Bundesarbeitsgericht. Diese Bestimmungen greifen im Anwendungsbereich des § 87 Satz 2 GWB nicht ein. Da die kartellrechtliche Vorfragenproblematik nicht selten erst in der Berufungsinstanz aufgeworfen wird, würde eine Anwendung von § 17a Abs. 5 GVG sowie von § 65 ArbGG dazu führen, dass die Bestimmung des § 87 Satz 2 GWB über die ausschließliche Rechtswegzuständigkeit der Kartellgerichte in einer Vielzahl von Fällen leerlaufen würde. Dies kann insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Gesetzgeber selbst betont hat, dass sich die kartellrechtliche Vorfrage häufig noch nicht in erster Instanz stellt, indes nicht angenommen werden. § 17a Abs. 5 GVG und § 65 ArbGG sollen dazu beitragen, die Frage der Rechtwegzuständigkeit zu einem möglichst frühen Zeitpunkt des Verfahrens in der ersten Instanz abschließend zu klären und das weitere Verfahren nicht mehr mit dem Risiko eines später erkannten Mangels des gewählten Rechtswegs zu belasten. Nur aus diesem Grund hat das Rechtsmittelgericht die ausdrücklich oder stillschweigend bejahende Entscheidung des Gerichts des ersten Rechtszugs als bindend hinzunehmen. Diese Erwägung kann von vornherein nicht zum Tragen kommen, wenn sich die kartellrechtliche Vorfrage erst nach Abschluss der ersten Instanz stellt.
Danach hatte in dem hier vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall in der Vorinstanz das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zu Unrecht seine Zuständigkeit zur Entscheidung einer kartellrechtlichen Vorfrage iSv. § 87 Satz 2 GWB angenommen und rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob der Rechtsstreit ohne Beantwortung dieser Vorfrage spruchreif ist.
Das Berufungsgericht hat seine die Klage abweisende Entscheidung darauf gestützt, die Arbeitgeberin habe durch die Zahlung der vom Bundeskartellamt verhängten Bußgelder iHv. insgesamt 191 Mio. Euro zwar einen Schaden erlitten. Diesen Schaden könne sie indes nicht vom Arbeitnehmer ersetzt verlangen. Der Organvertreter hafte nicht im Innenverhältnis für Bußgelder seiner Gesellschaft.
Die mangelnde Ersatzfähigkeit des Schadens folge aus den Wertungen des Kartellrechts. Der Gesetzgeber habe in § 81 GWB eine Entscheidung darüber getroffen, wer die verhängte Geldbuße tragen müsse. Diese Entscheidung liefe ins Leere, wenn die Arbeitgeberin als Adressatin der Bußgeldbescheide von dem Arbeitnehmer als ihrem Organvertreter Ersatz verlangen könne. Der Zweck der Unternehmensbuße gehe dahin, das Unternehmen selbst zu treffen. Der darin enthaltene Vorwurf sei der eines Organisationsverschuldens in Form einer nicht ausreichenden Kontrolle der Organe. Unternehmen und Unternehmensträger sollten durch fühlbare Einbußen zu einer angemessenen Kontrolle angehalten werden, das Unternehmen solle sich nicht aus der Verantwortung ziehen können. Dies gelte auch und gerade für Kartellbußen, die gegen Unternehmen verhängt würden. Die Funktion der Buße nach § 81 GWB ebenso wie der nach Art. 23 der VO 1/2003/EG des Rates vom 16.12 2002 zur Durchführung der in den Art. 81 und 82 EG niedergelegten Wettbewerbsregeln liege darin, die Unternehmen als Normadressaten zu veranlassen, diese einzuhalten. Diese Wirkung könne nur eintreten, wenn es dem Unternehmen verwehrt sei, das Bußgeld im Innenverhältnis auf die für sie handelnden Personen abzuwälzen. Diese Auffassung finde ihre Bestätigung auch sowohl in Art. 23 VO 1/2003/EG als auch in § 81 Abs. 5 GWB, wonach Geldbußen auch der Abschöpfung eines durch die Normverletzung eingetretenen wirtschaftlichen Vorteils dienen könnten. Es komme hinzu, dass im deutschen Kartellrecht zwischen Bußgeldern, die gegen natürliche Personen verhängt werden und solchen, die gegen Unternehmen verhängt werden – auch im Hinblick auf die Höhe des Bußgeldes, unterschieden werde. Darüber hinaus machten auch die im europäischen und deutschen Kartellrecht vorhandenen Kronzeugenregelungen deutlich, dass die Verhängung der Geldbuße und deren Höhe ausschließlich auf die Unternehmen zugeschnitten sei.
Die Frage, welche Wertungen sich aus den kartellrechtlichen Bestimmungen im Hinblick auf eine Haftung des Arbeitnehmers als Organvertreter für die vom Bundeskartellamt gegen die Arbeitgeberin verhängten Geldbußen ergeben, betrifft die Auslegung und Anwendung von Normen des Kartellrechts und ist deshalb eine kartellrechtliche Vorfrage iSv. § 87 Satz 2 GWB. Diese Frage lässt sich auch nicht zweifelsfrei beantworten.
Das Landesarbeitsgericht hat aus seiner Sicht konsequent, jedoch rechtsfehlerhaft nicht geprüft, ob der Rechtsstreit ohne Beantwortung dieser Vorfrage spruchreif ist. Es hat insbesondere ungeprüft gelassen, ob der Arbeitnehmer der Arbeitgeberin gegenüber nach § 43 Abs. 2 GmbHG überhaupt dem Grunde nach zum Schadensersatz verpflichtet ist.
Insoweit hat es zwar ausgeführt, von den Grundsätzen des § 43 Abs. 2 GmbHG und dem Sachvortrag der Arbeitgeberin ausgehend wäre eine Haftung des Arbeitnehmers als ehemaliger Geschäftsführer für alle Schäden zu bejahen, die entstanden sind, weil er kartellrechtswidrige Absprachen begangen habe. Auch sei aufgrund der Zahlung der Bußgelder iHv. insgesamt 191 Mio. Euro eine Minderung des Gesellschaftsvermögens der Arbeitgeberin eingetreten. Gleichwohl komme eine Haftung des Arbeitnehmers für diesen Schaden – unabhängig davon, ob und in welchem Umfang die von der Arbeitgeberin erhobenen Vorwürfe berechtigt seien – von vornherein nicht in Betracht, da die Arbeitgeberin für die nach § 81 GWB gegen sie persönlich verhängten Unternehmenskartellbußen den Arbeitnehmer im Innenverhältnis nicht in Regress nehmen könne. Damit hat das Landesarbeitsgericht die Frage nach der Haftung des Arbeitnehmers nach § 43 Abs. 2 GmbHG dem Grunde nach ausdrücklich offengelassen.
Aufgrund der bislang vom Landesarbeitsgericht getroffenen Feststellungen kann das Bundesarbeitsgericht nicht beurteilen, ob die Sache im Sinne einer Abweisung der Klage oder eines Stattgebens aus anderen – nichtkartellrechtlichen – Gründen entscheidungsreif ist. Insbesondere kann er nicht entscheiden, ob der Arbeitnehmer, der eine Beteiligung an und eine Kenntnis von kartellrechtswidrigen Absprachen bestritten hat, seine Geschäftsführerpflichten verletzt hat und der Arbeitgeberin deshalb ua. nach § 43 Abs. 2 GmbHG überhaupt zum Schadensersatz verpflichtet ist. Zudem hat das Landesarbeitsgericht durch unzulässiges Teilurteil entschieden. Dies führt zur Aufhebung des Teilurteils (§ 562 Abs. 1 ZPO) und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Das Landesarbeitsgericht hat über die Klageanträge zu 1. und 2. durch unzulässiges Teilurteil iSv. § 301 ZPO entschieden.
Der Erlass eines Teilurteils ist nach § 301 Abs. 1 ZPO nur unter bestimmten Voraussetzungen zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung darf ein Teilurteil nach § 301 ZPO nur ergehen, wenn es von der Entscheidung über den Rest des geltend gemachten prozessualen Anspruchs unabhängig ist, so dass die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen, auch durch das Rechtsmittelgericht, nicht besteht. Dabei ist ein Teilurteil schon dann unzulässig, wenn nicht auszuschließen ist, dass es in demselben Rechtsstreit zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt. Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen – auch infolge einer abweichenden Beurteilung durch das Rechtsmittelgericht – ist gegeben, wenn in einem Teilurteil eine Frage entschieden wird, die sich dem Gericht im weiteren Verfahren über andere Ansprüche oder Anspruchsteile noch einmal stellt oder stellen kann. Dazu reicht die Möglichkeit einer unterschiedlichen Beurteilung von bloßen Urteilselementen aus, die weder in Rechtskraft erwachsen noch das Gericht nach § 318 ZPO für das weitere Verfahren binden. Vor diesem Hintergrund darf ein Teilurteil nur ergehen, wenn der weitere Verlauf des Prozesses die zu treffende Entscheidung unter keinen Umständen mehr berühren kann. Die Gefahr einander widersprechender Entscheidungen besteht insbesondere dann, wenn im Fall der objektiven Klagehäufung von Leistungs- und Feststellungsansprüchen, die aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet werden, durch Teilurteil gesondert über einen oder nur einen Teil der Ansprüche entschieden wird.Einem Teilurteil über einen von mehreren in einer Klage geltend gemachten Ansprüchen steht § 301 Abs. 1 ZPO allerdings ausnahmsweise dann nicht entgegen, wenn die Entscheidung über den weiteren Anspruch lediglich von derselben Rechtsfrage abhängt, sofern es nicht um denselben Anspruchsgrund geht. Das Teilurteil hat dann hinsichtlich des weiteren Verfahrens die Bedeutung einer “Musterentscheidung”.
Danach hat das Landesarbeitsgericht über die Klageanträge zu 1. und 2. durch unzulässiges Teilurteil entschieden.
Es ist nicht auszuschließen, dass es im vorliegenden Rechtsstreit zu einander widersprechenden Entscheidungen kommt. Dies folgt daraus, dass die Arbeitgeberin sämtliche Schadensersatzbegehren, die sie mit den Zahlungs- und Feststellungsanträgen zu 1. bis 50. verfolgt, darauf stützt, der Arbeitnehmer habe seine Pflichten als Geschäftsführer dadurch verletzt, dass er aktiv an den rechtswidrigen Kartellabsprachen beteiligt gewesen sei. Zumindest habe er Kenntnis von den Absprachen gehabt; seiner Verpflichtung, den Konzernvorstand oder zumindest den Bereich Compliance zu informieren, sei er indes nicht nachgekommen.
Aus dem Umstand, dass das Berufungsgericht die Klage mit den Anträgen zu 1. und 2. ausschließlich mit der Begründung abgewiesen hat, aus kartellrechtlichen Wertungen folge, dass der Arbeitnehmer für den Schaden, der der Arbeitgeberin infolge der Zahlung der vom Bundeskartellamt festgesetzten Geldbußen entstanden sei, nicht hafte, und dass diese Erwägungen für die Klageanträge zu 3. bis 50. keine Bedeutung haben, folgt nichts Abweichendes. Insbesondere ist nicht entscheidend, ob das Bundesarbeitsgericht die Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts letztlich teilt. Ein Teilurteil ist bereits dann unzulässig, wenn das Rechtsmittelgericht – hier das Revisionsgericht – in einer der insgesamt zu prüfenden Fragen möglicherweise zu einem Ergebnis kommt, das in Widerspruch zu einer Entscheidung des Vorgerichts in dem bei diesem verbliebenen Teil treten kann. Dies ist vorliegend insbesondere im Hinblick auf eine etwaige, eine Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG begründende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers der Fall.
Eine andere Bewertung ist auch nicht deshalb geboten, weil das Landesarbeitsgericht den bei ihm verbliebenen Teil des Rechtsstreits mit Beschluss vom 20.01.2015 nach § 149 ZPO bis zur Erledigung des bei der Staatsanwaltschaft Bo gegen den Arbeitnehmer geführten Strafverfahrens ausgesetzt hatte.
Zwar ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass gegen einen einfachen Streitgenossen ein Teilurteil trotz der Gefahr einer widerstreitenden Entscheidung im weiteren Verfahren ergehen kann, wenn das Verfahren durch Insolvenz oder Tod des anderen Streitgenossen unterbrochen ist. Diese Ausnahme findet nach Auffassung des Bundesgerichtshofs ihre Rechtfertigung darin, dass die Unterbrechung des Verfahrens zu einer faktischen Trennung des Rechtsstreits führe, weil regelmäßig nicht voraussehbar sei, ob und gegebenenfalls wann das Verfahren aufgenommen werde. Da die übrigen Prozessbeteiligten keine prozessuale Möglichkeit hätten, die Aufnahme des Verfahrens und damit den Fortgang des Prozesses insgesamt zu bewirken, sei es mit ihrem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz nicht vereinbar, wenn die Unterbrechung des Verfahrens eine Entscheidung nur deshalb nachhaltig verzögern würde, weil die abstrakte Gefahr einer widersprüchlichen Entscheidung nach einer eventuellen Aufnahme des Verfahrens bestehe.
Eine damit vergleichbare Sachlage liegt im vorliegenden Verfahren nicht vor.Bei der vom Landesarbeitsgericht angeordneten Aussetzung des bei ihm verbliebenen Teils des Rechtsstreits nach § 149 ZPO fehlt es an einer mit einer Verfahrensunterbrechung aufgrund von Insolvenz oder Tod eines Streitgenossen vergleichbaren Situation. Die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen besteht nicht nur abstrakt, sondern konkret. Zum einen kann das Landesarbeitsgericht nach § 150 ZPO die Aussetzung jederzeit wieder aufheben; zum anderen hat das Gericht nach § 149 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Verhandlung auf Antrag einer Partei fortzusetzen, wenn seit der Aussetzung ein Jahr vergangen ist, es sei denn, gewichtige Gründe sprechen ausnahmsweise für die Aufrechterhaltung der Aussetzung (§ 149 Abs. 2 Satz 2 ZPO).
Der Erlass eines unzulässigen Teilurteils stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar, der nach § 562 Abs. 1 und Abs. 2 ZPO iVm. § 563 Abs. 3 ZPO grundsätzlich zur Aufhebung des Teilurteils und zur Zurückverweisung der Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht führt. Gründe, weshalb von einer Aufhebung des Berufungsurteils und einer Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht vorliegend ausnahmsweise abzusehen wäre, wurden von den Parteien nicht vorgetragen; sie sind auch sonst nicht ersichtlich.
Für das weitere Verfahren weist das Bundesarbeitsgericht auf Folgendes hin:
Das Landesarbeitsgericht wird zu prüfen haben, ob der gesamte Rechtsstreit – einschließlich des vom Teilurteil nicht erfassten, bei ihm verbliebenen Teils – im Sinne der Abweisung der Klage oder eines Stattgebens, aus anderen – nichtkartellrechtlichen – Gründen entscheidungsreif ist. Sofern es zu der Überzeugung gelangen sollte, dass dies nicht der Fall ist, weil der Rechtsstreit ohne Entscheidung einer kartellrechtlichen Vorfrage iSv. § 87 Satz 2 GWB nicht entschieden werden kann, wird es den gesamten Rechtsstreit unter Aufhebung des arbeitsgerichtlichen Urteils an das zuständige Kartell-Landgericht (§ 89 GWB) zu verweisen haben.
Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 29. Juni 2017 – 8 AZR 189/15